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Lüdenscheider Zeitbilder
 

1994-1999: Internet, ökonomische, soziale und ökologische Globalisierung

Bürgermeisterin: Lisa Seuster SPD

Foto: Kirche
Die griechisch-orthodoxe Nektarios-Kirche zwischen Sedan- und Altenaer Str. gehört seit den 90er Jahren zum Stadtbild.

 

Nach dem Aufbau des digitalen Mobilfunknetzes kam 1992 das erste Handy auf den Markt, das heute zur Grundaußtattung fast aller Menschen gehört. Dieser Kommunikationsverbeßerung folgte dank AOL ab 1996 und dank T-Online ab 1997 die Möglichkeit, weltweit leicht zu surfen. Damit wurde fast jedem der Zugang zum globalen Wißen und zum Informationsaustausch interaktiv möglich. Diese technische und inhaltliche Neuerung war wahrscheinlich so groß wie die Erfindung der Dampfmaschine (um 1769) oder der Buchdruckkunst mit beweglichen Lettern (um 1450). Durch die beiden technischen Neuerungen wurden jeweils alle Lebensbereiche verändert und das kam und kommt auch durch das Internet und das Mobiltelefon.

Der leichtere Datenaustausch führte zu einer Vervielfältigung wirtschaftlicher Möglichkeiten. Davon waren auch viele Lüdenscheider Firmen betroffen. In Krisen oder bei Generationenwechsel kamen immer seltener andere lokale Firmen zum Zug als internationale, die durch die Konkurrenzsituation auf dem Markt ein Intereße an den verwandten oder ergänzenden Produkten und ihren Produktionßtätten hatten. Gerhardi & Co., Hoffmeister, Linden, Nottebohm, Paulmann & Crone gehörten zu den veräußerten Traditionsfirmen. Manche wurden mit fast gleicher Mitarbeiterzahl weitergeführt, andere mußten die Arbeit einstellen. 1994-95 verloren hier 5 000 Arbeiter der Metall- und Elektrobranche ihre Arbeit. Die vielen Veränderungen und Verluste von Arbeitsplätzen führten zu Unsicherheiten und zur Suche nach einfachen Ursachen: "Sündenböcken". Besonders Fremdenfeindlichkeit wuchs. Ausländer wurden Opfer von gewalttätigen Rechtsradikalen z. B. 1993 in Solingen; aber auch in Lüdenscheid konnte nicht mehr jeder Ausläder jedes Lokal betreten und wurden Ausländer manchmal gemobbt oder diskriminiert. Andere Opferdieser Haßwelle waren Menschen mit Behinderungen und Obdachlose. Einer wurde 1997 im Kulturhauspark von Gewalttätern ermordet. Die Polizei registrierte die Zunahme von Gewalt besonders unter Jugendlichen, die angesichts der vielen Probleme sich so ein Ventil suchten. 1994 zählte die Verbraucherberatung 16 485 Ratsuchende.

Foto: Museumsgebäde
Das Museum wurde 1988 aus der Verbindung des Alten Amtshauses (rechts) mit der Sparkasse links durch einen modernen Glasbau geschaffen.

 

Dagegen standen viele Neuanfänge. Die Lüdenscheider Tafel nahm ihre Arbeit auf und gründete 1997 einen Verein, der noch genießbare Lebensmittel von Händlern einsammelt und ehrenamtlich an Bedürftige verteilt. 1995 wurde der erste Ausländerrat gewählt, der die Anliegen von Ausländern zusammenführen und politisch umsetzbar machen sollte. 432 000 DM wurden 1997 für die Errichtung eines Hospizes im Amalie-Sieveking-Haus gespendet, in dem Menschen, die nicht mehr im Krankenhaus gepflegt werden können, bis zu ihrem Tod würdig leben können. Der neu gegründete Obdachlosenfreundeskreis und die Stadt bemühten sich mit der Caritas und dem Pertheswerk um beßere übernachtungsmöglichkeiten und um die Betreuung der 300 betroffenen Menschen, nachdem zwei auf der Straße im kalten Winter erfroren waren.
Die Stadtwerke ließen ihr neues Verwaltungszentrum an der Ecke Lenne-/Altenaer Straße und das Saunadorf am Nattenberg bauen. Das Finanzamt errichtete sein neues Gebäude am Bahnhof. Bei den Fundamentarbeiten für die beiden Verwaltungsgebäude stieß man auf große Mengen giftiger Altlasten, die teils versiegelt und teils abtransportiert wurden. Das wachsende Umweltbewußtsein spiegelte sich auch im Boykott der Shell-Tankstellen, weil Shell eine mit Schadstoffen belastete Bohrinsel ohne Rücksicht auf die Umweltschäden im Meer versenken wollte, statt sie aufwändig an Land zu zerlegen und zu entsorgen. 1998 mußte die neue Grundschule Gevelndorf wegen zu vieler PCB-Schadstoffe geschloßen und renoviert werden. Als Bürgerinitiative ist die Aktionsgemeinschaft Umweltschutz Märkischer Kreis seit den 70er Jahren aktiv und in den 80er Jahren in den Naturschutzbund übergegangen. Neben Grundlagenforschung und Naturbeobachtung ist die Hauptaufgabe, in unserer industriell orientierten Gesellschaft nach umweltschonenden Lebensmöglichkeiten zu suchen.

Foto: Blick auf eine Windkraftanlage

 

Zu mehreren Verfahren gegen Unternehmer kam es wegen der illegalen Beschäftigung von Arbeitern auf Baustellen am Rosengarten, an der Lennestraße u. a..
Die schweren Verstöße gegen den fairen Wettbewerb auf Kosten von unversicherten und unterbezahlten Arbeitern kamen in der Zeit der größeren Mobilität in Europa oft vor.

Zukunftsweisend wurde seit 1986 die Südwestfälische Technologie-Außtellung auf dem Loh, die Gründung des Entwicklungs- und Gründer-Centrums neben dem Bahnhof und die 1996 eröffnete Physikausstellung Phänomenta, in der viele Experimente von jungen und alten Besuchern durchgeführt und erlebt werden können.

Überregionalen Zuspruch fand ab 1999 auch die Kulturwoche im Zelt am Johannes-Busch-Haus: Berühmte Künstler kommen hier in einem Zelt zusammen, um mit ihrer Kunst Menschen mit und ohne Behinderungen zusammenzubringen und sinnreiche Freude zu schenken. So werden Verantwortung und Respekt füreinander lebendig.
Den Wandel der Berufswelt in Lüdenscheid spiegelt die übersicht unten.

Berufstätige 1956: 34 200 Personen
 Landw. Industrie   Bau    Handel Kredit   Verkehr   Dienst   Verwalt.
  0,3T   22,3T       2,3T    - 2,8T -       1,3T      1,6T     3,2T

Berufstätige 1999: 36 600 Personen
 Landw. Industrie   Bau    Handel Kredit   Verkehr   Dienst   Verwalt.
  0,1T   19,5T       0,9T   3,3T   0,7T     1,1T      7,9T     2,8T
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Lüdenscheid und seine Partnerstädte in Europa

Brighouse/Calderdale

Die englische Stadt Brighouse ist ein Teil der neuen Verbundgemeinde Calderdale mit heute 192 000 Einwohnern und liegt in der Grafschaft Yorkshire (Mittel-England). Sie ist die einzige Partnerstadt, die im Zweiten Weltkrieg nicht von deutschen Truppen besetzt wurde. Trotzdem fügten die Angriffe der deutschen Luftwaffe und Marine der Bevölkerung Großbritanniens Tod und Leid zu.
Im Juli 1940 ordnete Hitler den Angriff auf Großbritannien an. Im März 1941 waren 6 000 deutsche Soldaten und 2 265 Flugzeuge verloren. Auf den Gemeindeverband fielen im November 1940 Bomben, die 11 Engländer töteten und 10 verletzten. Um Deutschlands Angriff abzuwehren und Hitler zu besiegen, wurden mehr als 10 000 Männer des Gemeindeverbands vom Militär eingezogen, von denen ca. tausend im Kampf starben. Die unverheirateten Engländerinnen wurden zur Dienstpflicht im Kranken- und Rüstungswesen herangezogen. Der Gemeindeverband nahm auch viele Kinder aus London auf, weil die Hauptstadt und der Süden Englands mehr unter den tödlichen Luftangriffen litten als der Norden. Durch die britische Besatzungszeit und die Hilfsbereitschaft kamen 1950 erste Kontakte zustande, die 1962 mit einer offiziellen Städtepartnerschaft gefestigt und 1983 auf die Verbundsgemeinde Calderdale ausgeweitet wurden. Engländer und Engländerinnen von Brighouse und die hiesige Brighouse-Gesellschaft haben viel zur öffnung von Herz und Verstand für ein friedliches Zusammenleben in Europa beigetragen.

Den Helder

Die Stadt liegt in der Provinz Nordholland und zählt 60 000 Einwohner. Am 14. Mai 1940 kapitulierte die Marine-Stadt Den Helder vor der übermacht der deutschen Angreifer. Die Luftschlacht der Alliierten mit der deutschen Besatzungsmacht führte in Den Helder zur Zerstörung jeder fünften Wohnung. 117 jüdische Bürger von Den Helder wurden deportiert und ermordet und mehrere hundert Bürger zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht. Im Kreis Altena-Lüdenscheid mußten 474 Personen aus den Niederlanden in den Rüstungswerken arbeiten. Dann wuchs der Widerstand. 20 Widerstandskämpfer aus Den Helder wurden von Deutschen getötet.
Nach vielen losen Kontakten schloßen die beiden Städte 1980 die offizielle Partnerschaft, die durch persönliche Besuche von Ratsmitgliedern lebendig ist.

Leuven

Die belgische Universitätßtadt mit 75 000 Einwohnern liegt östlich von Brüßel in der Provinz Flämisch-Brabant. Sie hatte schon im 1. Weltkrieg viel Leid von deutschen Soldaten erfahren. (vgl. Kap. 14) Im 2. Weltkrieg wurden die oberen Etagen der Bibliothek bei ei- nem Luftangriff der Deutschen Wehrmacht erneut zerstört. Durch die Bevölkerung ging ein tiefer Riße zwischen Sympathisanten und Gegnern der nationalsozialistischen Besatzer. Jüdische Belgier wurden deportiert und ermordet, andere wurden zur Arbeit von Deutschland teilweise angeworben, teilweise gezwungen.
Nach dem Krieg entstand durch persönliche Kontakte - Belgier waren in Lüdenscheid zunächst Beatzungsmacht und später NATO-Bündnispartner - die Grundlage für die Städtepartnerschaft, die 1987 offiziell geschloßen wurde.

Myslenice

Die polnische Stadt südlich von von Krakau zählt 21 000 Einwohner. In der ersten Woche des 2. Weltkriegs starben 8 Soldaten des damals 5 000 Einwohner zählenden Ortes und wurden 19 Gebäude zerstört. Schon 1939 richtete sich der Haß der Deutschen gegen die ca. 900 Bürger jüdischen Glaubens. Viele wurden in das Ghetto gezwungen und hatten dort Hunger und Mißhandlungen zu erleiden, bevor sie 1942 ermordet wurden. 120 andere Bürger der Stadt kamen im Krieg ums Leben. Als die Gewerkschaft Solidarnosc die öffnung Polens nach Westen verwirklichte, entstanden durch persönliche Kontakte Beziehungen zu Lüdenscheid, die 1989 zur Städtepartnerschaft führten. An ihr beteiligten sich auch die Mitglieder der Patenschaft Glatz. Für sie setzt sich besonders die Adolf-Reichwein-Gesamtschule ein.

Grafik: Europakarte mit den Partnerstädten Lüdenscheids.

Lüdenscheids Partnerstädte
Romilly-sur-Seine

Die französische Stadt in der Champagne zählt 16 000 Einwohner. Als im Juli 1940 am Ende des Frankreichfeldzugs die große Siegesfeier in Lüdenscheid mit vielen tausend begeisterten Bürgern (Filmdokument) und den heimkehrenden Soldaten stattfand, war Romilly tief zwischen Anhängern des Faschismus und des Widerstands zerstritten. 16 Widerstandskämpfer wurden standrechtlich erschoßen. Mehrere hundert Bürger kamen als Fremdarbeiter freiwillig oder gezwungen nach Deutschland, um hier für die noch siegreiche Regierung, Wehrmacht und Wirtschaft zu arbeiten. Mindestens 14 jüdische Bürger wurden deportiert und ermordet. Auch Lüdenscheider waren als Soldaten in Romilly stationiert. Durch persönliche Kontakte entstanden die Grundlagen für die Städtepartnerschaft, die 1991 geschloßen wurde und besonders auf dem Schüleraustausch des Bergstadt-Gymnasiums beruht.

Taganrog

Die südrußische Hafenstadt am Asowschen Meer zählt 292 000 Einwohner und war früher für den Flugzeugbau wichtig. Von den damals 188 000 Einwohnern Taganrogs wurden im 2. Weltkrieg 25 000 zur Zwangsarbeit nach Deutschland transportiert. Bereits eine Woche nach der Eroberung der Stadt brachten die Deutsche Wehrmacht und Einsatztruppen der Polizei 1 800 jüdische Bürger in die Petruschino-Schlucht und erschoßen alle. Außerdem wurden mehrere hundert Bürger hingerichtet, weil man sie für Partisanen hielt. Schließlich wurden die Waisenkinder in deutsche Lazarette gebracht und dienten dort als Blutspender. Nur wenige überlebten. Nach dem Ende des Kommunismus kamen Friedensleute aus Rußland 1989 zu Besuch nach Lüdenscheid. Aus den Gesprächen entstand die Anfrage der Lüdenscheider Grünen in Taganrog, ob die Möglichkeit einer Städtepartnerschaft bestehe. Der dortige Bürgermeister zeigte Intereße und 1991 wurde dort die Städtepartnerschaft von den beiden Bürgermeistern geschloßen. Der Freundeskreis Lüdenscheid-Taganrog sammelte mehr als 250 000 DM für eine künstliche Niere und stellte viele Kontakte her. Die Gesamtschule und das Bergstadt-Gymnasium pflegen den Austausch von mehrheitlich Schülerinnen und Studentinnen.

Die Städtepartnerschaften sind im Prozeß der Europäisierung ein wichtiger Baustein der Kommunalpolitik für die Völkerverständigung, den Frieden und die Verständigung der Menschen verschiedener Nationen geworden.

   
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Lüdenscheider Zeitbilder
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Lüdenscheider Zeitbilder, Lindenau 16, 58511 Lüdenscheid
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Gestaltung: Martin Sander/ Hans-Werner Hoppe