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Lüdenscheider Zeitbilder
 

1960-1968: Gastarbeiter und Wohlstand, Ende der städtischen Unabhängigkeit


                       1950    1960    *1970    1980   1990     1999
Einwohner              52 T.   58 T.    79 T.   75 T.  79 T.    81 T.
davon Ausländer         314     647    6 653    8 008  11 303   11 422
Geburten                        809      969     694      971      743
Autos                 1,7 T.                           39 T.    46 T.
bebaut in ha
- Straßen/Plätze                100                                318
- Gebäude/Höfe                  100                                126
Foto: Das alte Wappen des 'Amtes Lüdenscheid'.
Ab 1969 verlor das Wappen des Amtes Lüdenscheid seine Gültigkeit, weil nur noch das Wappen der Stadt galt.

 

Ab Januar 1969 wurde das Amt Lüdenscheid (Gemeinden Brügge und Rahmede) und die Gemeinde Hülscheid Teil der Stadt Lüdenscheid. Sie umfasste ungefähr das Gebiet der alten Pfarrgemeinde Lüdenscheid, in der seit dem Spätmittelalter der erste Pfarrer für den reichen Landbezirk und der zweite für den ärmeren Stadtbezirk zuständig war. Nach dem gemeinsamen Neubau der Erlöserkirche trennte sich die evangelische Pfarrei 1843 in eine Stadt- und eine Landgemeinde. Im gleichen Jahr wurde auch die gemeinsame Verwaltung des Stadt- und Landbezirks durch Preußen beendet.
Nach langen Streitgesprächen wurde 1968 von der zögernden Amtsversammlung und vom Stadtrat das Gesetz des Landes zur Kommunalreform vollzogen, um die Erschließung neuer Gewerbe- und Siedlungsflächen für die Entwicklung der Wirtschaft zu erleichtern.

Seit 1956 warben die erfolgreichen Wirtschaftsunternehmer Deutschlands (Wirtschaftswunder) mit der Zustimmung der Regierung in Italien, Spanien, Portugal, Jugoslawien, Griechenland und später der Türkei und Marokko Gastarbeiter an. Sie wurden oft in den ehemaligen Zwangsarbeiter- und Flüchtlingsbaracken auf engstem Raum notdürftig untergebracht, weil viele Gastarbeiter damit rechneten, dass sie nach wenigen Jahren heimkehrten. Aber schon 1960 meldeten die Lokalzeitungen, dass viele Ausländer ihre Arbeitsverträge verlängerten, statt heimzukehren. Aufmerksam und freundlich reagierte 1960 die Volkshochschule mit einem Ausländerforum und einer Weihnachtsfeier für 250 Ausländer. Die Arbeiterwohlfahrt, Caritas (für Italiener, Spanier, Portugiesen) und Diakonie (für Griechen) übernahmen arbeitsteilig die Sozialarbeit für die "Gastarbeiter", deren Anzahl sich in den 60er Jahren verzehnfachte. Mit dem Satz "Wir suchten Arbeitskräfte, es kamen Menschen" wurde die Schwierigkeit verdeutlicht, dass die Arbeitskräfte wirtschaftlich erwünscht waren, die Aufnahme in die Gesellschaft aber aus politischen Gründen nicht. Denn offiziell wurde erklärt, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, auch wenn man Arbeitkräfte anwerbe, und offiziell galt noch die alte deutschnationale Vorstellung von der Staatsbürgerschaft durch deutsche Abstammung und nicht durch die Zugehörigkeit zur Wertegemeinschaft des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Politisch war die Integration in die lokale Gesellschaft nicht erwünscht. Sozial geschah viel, dass sie möglich wurde, weil Artikel 1 des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar" von vielen Lüdenscheidern aus demokratischen und christlichen Gründen ernst genommen wurde und "Gastarbeiter" privat eingeladen wurden.

Vor 1960 hatten zahlreiche belgische Soldaten Lüdenscheid verlassen müssen, um in Belgisch Kongo gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen der Afrikaner zu kämpfen. Die Frauen der belgischen Soldaten blieben hier. In der frei werdenden Kaserne am Buckesfeld konnte deshalb 1961 - 1963 ein deutsches Transportbataillon stationiert werden, nachdem die Bundesrepublik 1955 auf Betreiben der westlichen Staaten der NATO beigetreten und die Bundeswehr durch die allgemeine Wehrpflicht ("Staatsbürger in Uniform") aufgebaut hatte. Das Bataillon unterstand dem Kommando der USA, die am Stilleking Atombomben gegen Ost-Europa stationierten. Sie erhielten den Spitznamen "Babys" nicht wegen ihrer Hilflosigkeit, sondern weil man mit ihnen wegen ihrer Gefährlichkeit so vorsichtig umgehen musste. Denn diese Bomben besaßen die vielfache Sprengkraft der beiden Atombomben, die über Hiroshima und Nagasaki 1945 gezündet worden waren und mehr als 300 000 Menschen getötet hatten. Gleichzeitig warben die US-Soldaten und die belgischen Soldaten mit Geschenken für Lüdenscheider Kinder um Sympathie.

Foto: Umzug in historischen Kostümen aus Anlaß der 700-Jahrfeier.

Im historischen Zug der 700-Jahr-Feier
vom Rathausplatz zur Schützenhalle Loh trugen Trachtengruppen
Modelle alter Bauwerke,
hier im Hintergrund das Modell der alten Erlöserkirche.

Gegen die Aufrüstung wehrten sich viele Kommunisten, Sozialdemokraten und kritische Christen. Evangelische Rüstungsgegner setzten sich 1953 für die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP) ein, die von dem späteren SPD-Mitglied und Bundespräsidenten Gustav Heinemann gegründet worden war, um die Aufrüstung zu verhindern; aber die Partei überwand nicht die 5 %-Hürde, weil das alte Feindbild der kommunistischen Gefahr aus dem Osten von der CDU wirkungsvoll für die Aufrüstung eingesetzt wurde. Nach dem Scheitern der GVP arbeiteten einige Mitglieder in der Kreisgruppe Altena-Lüdenscheid der Internationalen der Kriegsdienstgegner mit; sie kam ab 1960 in Schwierigkeiten, weil kommunistische Mitglieder deren Neutralität gefährdeten und ausgeschlossen wurden.

Foto: Ausländische Mitarbeiter säubern die Stadt.
Viele notwendige, harte und schmutzige Tätigkeiten übernahmen die ausländischen Mitbürger. Sie sorgten auch für die Sauberkeit der Stadt. Hier standen sie ca. 1980 neben der Figur "Onkel Willi" vor Haus Hulda.

 

Die jährlichen Feiern zum 17. Juni 1953, dem Tag des Volksaufstands in der DDR, wurden genutzt, um die Westorientierung zu bestätigen, aber gleichzeitig daran zu erinnern, dass die Bundesrepublik die Wiedervereinigung wünsche. Besonders die Jugend, aber auch die Erwachsenen wurden aufgefordert und kamen am "Tag der deutschen Einheit" zu Tausenden in Lüdenscheid zusammen, um die "Willkür des kommunistischen Regimes in der Zone" anzuprangern und die eigene Bindung an die NATO und die westlichen Staaten zu festigen. Die Tradition der Weihnachtskerzen in den Fenstern Lüdenscheids zur Erinnerung an die "Deutschen Brüder und Schwestern jenseits der Zonengrenze"ß entstand damals und brach auch nach 1990 nicht ab, auch wenn der alte Sinn nach der Wiedervereinigung verloren ging und kein neuer gestiftet wurde.

Foto: Ausländische Mitarbeiter säubern die Stadt.
Die drei unterschiedlichen Autokennzeichen auf dem Parkplatz des Rathauses zeigen die Organisationsumbrüche seit 1968.

 

Schon 1960 konnte die lokale VW-Niederlassung den 5 000sten hier zugelassenen Käfer dem Oberbürgermeister schenken. Dieser Fortschritt war gleichzeitig ein großes Problem, denn allein 1963 starben 9 Lüdenscheider im Straßenverkehr. Die eng gebaute Stadt und besonders der Sternplatz (damaliger Straßenstern) mit der Kreuzung der Altenaer Str., Sauerfelder Str., Kölner Str. und der Wilhelmstr. konnten den Verkehr nicht mehr aufnehmen. Deshalb wurde gleichzeitig mit dem Bau des Rathauses 1963 - 65 der Rathaustunnel geplant, der 1973 eröffnet wurde. Die Moderne kam auch durch den Umbau des Kaufhofs in den größten Selbstbedienungsladen 1961 nach Lüdenscheid. Innerhalb von 10 Jahren gingen die meisten Lebensmittelgeschäfte unter, weil die Selbstbedienungsläden sie mit der größeren Auswahl und den kleineren Preisen verdrängten.

1963 meldete das Arbeitsamt, dass jede 2. Lehrstelle in seinem Bezirk unbesetzt bleibe. Trotzdem wuchs die Wirtschaft, weil sie es verstand, die Produktion von den Bauinstallations- zu den Auto- und Haushaltselektroartikeln umzustellen und der sich wandelnden Nachfrage nachzukommen. Während in den 50er Jahren nach dem Radio der Kühlschrank zur Grundausstattung der Haushalte kam, folgten in den 60er das Fernsehen, die elektrische Waschmaschine und das Auto. 1961 richteten die Lüdenscheider mehr als 3 000 neue Konten bei der Sparkasse ein und ließen deren Bilanzsumme auf über 100 Mio. DM steigen. Der wachsende Wohlstand führte aber auch zu wachsenden Müllbergen und das Rathaus meldete im gleichen Jahr, dass in 5 Jahren kein Platz mehr für die Müllentsorgung in Leifringhausen sei. Oft meldeten die Lokalzeitungen, dass Straßenund Waldränder als Müllkippen für Abfälle missbraucht wurden.

In den ersten zwanzig Jahren der Bundesrepublik wurden so viele Kirchen wie in keiner anderen Zeit gebaut. Neu errichtet wurden 1952 die alte und 1965 die neue evangelische Kreuzkirche in der Worth und 1962 die Johanneskirche am Buckesfeld, 1956 die Auferstehungskirche an der Höh, 1959 die Apostelkirche in Hellersen/Bierbaum und die Johanniskirche am Buckesfeld, 1979 die Markuskirche am Wehberg und 1982 das Kirchenzentrum Oberrahmede am Dickenberg. Zu den neuen evangelischen Kirchen kamen folgende katholische: 1957 die Maria Königin Kirche am Schättekopf, 1967 die St. Petrus und Paulus Kirche im Honsel und 1963 / Neubau 1995 die St. Hedwig Kirche in Gevelndorf. Hinzu kamen Um- und Neubauten der freien evangelischen Kirchen. Seit den 80er Jahren vervollständigten mehrere Moscheeräume in Altbauten und der neue Kirchbau der griechisch-orthodoxen Christen die Zahl der Gotteshäuser für die ca. 15 Glaubensgemeinschaften in Lüdenscheid. Hier haben Religionsgemeinschaften eine größere Bedeutung als in Großstädten.

                Ev. /Freikirchl.    Kath.    andere
1950              46 030            10 610    5 062
1999              35 909            19 608   29 062
Das Leid des Zweiten Weltkriegs und der Wandel von der nationalen zur internationalen Kultur hatten nach dem Krieg zu einer starken Bindung vieler Christen an ihre Kirchen geführt. Seit den 80er Jahren sprachen die Soziologen vom Ende der Volkskirchen und von der Vielfalt des individuellen Glaubens, der oft nach Lebensabschnitten geändert wird. In den Sozialwerken der Kirchen spiegelt sich deren christliches Verantwortungsbewusstsein für die Probleme der Menschen in der Gegenwart.

Foto: Der Ratssaal des Stadtrates Lüdenscheid
Der Ratssaal mit der Zuhörerempore wurde 1965 zum politischen Zentrum Lüdenscheids

 

1965 beklagte die Polizei die hohe Zahl von Selbstmorden wegen Depressionen. Weil es in Lüdenscheid wenige offene gesellschaftliche Angebote gab und die meisten Menschen sich in festen Milieus aufhielten, hatten diejenigen, die in einem Milieu nicht klarkamen, die allein standen oder neu hierhin zogen, Schwierigkeiten, Kontakte zu finden. Manche versuchten mit Alkohol dieses und andere Probleme zu lösen. Seit dem gleichen Jahr gibt es in Spielwigge die erste offene Heilstätte für alkoholkranke Männer in Westfalen.

1965 konnte die Stadtverwaltung das neue Rathaus beziehen und die Ämter, die an mehr als 10 Stellen der Stadt untergebracht waren, zusammenbringen. Die Architektur sollte die Bedeutung der Stadt und den modernen Zeitgeist widerspiegeln, der mit gewachsenen Strukturen damals nichts zu tun haben wollte. 1968 eröffnete die Post ihre neue Hauptstelle neben dem Rathaus im ähnlichen Stil.

Foto: Ein Jugendzentrum am Sauerfeld
Die offene Jugendarbeit wurde immer wichtiger. Hier trafen sich Jugendlichen am Sauerfeld um 1970.

 

Jugendlichen machten die Stadt und die Kirchen viele Freizeitangebote. Seit 1966 war die renovierte alte Kerksighalle (heute: Stadtarchiv) ein Magnet für Proben und Aufführungen von Beatbands. Mit den Kreisjugendtagen sprach die evangelische Kirche in dieser Zeit viele tausend Jugendliche an.

Gesellschaftlicher Höhepunkt der Nachkriegszeit war 1968 die 700-Jahrfeier der Stadt. Vermutlich gab es nur drei ähnlich große Ereignisse in der Stadtgeschichte: die Verabschiedung der Lüdenscheider Soldaten am 3. August 1914, den 1. arbeitsfreien Maifeiertag 1933, an dem alle Werktätigen teilnehmen mussten, und die Siegesfeier am 20. Juli 1940 nach dem Frankreichfeldzug. Der WDR übertrug die Jahrhundertfeier, deren Höhepunkt der Festzug vom Sternplatz zur Schützenhalle auf dem Loh war. Dabei wurden auch wichtige Teile der 700-jährigen Stadtgeschichte dargestellt. Anders als die drei ersten Großveranstaltungen des 20. Jahrhunderts fiel die Jahrhundertfeier in die Zeit des Aufbruchs in die europäische Union, die eine Zukunft in Frieden und Freiheit versprach und den engstirnigen Nationalismus überwand. Dazu gab es in der Heimvolkshochschule Wislade ein Europaseminar mit 1 700 Teilnehmern und Kulturbeiträge zum Festival Européen in der Stadt.

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1969-1975:
Bürgerinitiativen, Internationale Kunststoffhausausstellung und Kreisstadt

Bürgermeister: Erwin Welke SPD, Herbert Weigert

Viele Schulneubauten und Neugründungen (u. a. Bergstadt-Gymnasium, Richard Schirrmann-Realschule, Hauptschulen, Berufsschulen u. a.), die Gründung des SOS-Kinderdorfs Sauerland am Dickenberg 1967, das dreitägige Fest zur Eröffnung der Fußgängerzone Wilhelmstraße 1968 und der 80 000te Bürger 1969 waren wichtige Ereignisse auf dem Weg zur Kreisstadt Das Jahr 1969 leitete aber auch eine starke Demokratisierung der Lüdenscheider ein. Dieser Prozess hatte in den Großstädten schon 1968 begonnen. Viele Menschen veränderten sich von Untertanen zu Bürgern, die nicht mehr auf die Obrigkeit warteten, sondern wichtige Anliegen selbst in die Hand nahmen. So pro- testierten die Schüler des Zeppelingymnasiums gegen die verantwortlichen Politiker und informierten über den 40-prozentigen Lehrermangel und die Raumnot in den Schulen der Stadt, worüber von Politikern schon lange gesprochen wurde, ohne dass sich viel besserte. Allerdings halfen Mitarbeiter von Behörden und Industrie aus, Lehrkräfte zu ersetzen und die Personallücken zu halbieren. Aus Protest gegen Schulmissstände verweigerten die Abiturienten 1971 die Entlassfeier; die war zuletzt in der Weimarer Republik wegen Zerstörungen in der Schule vom Direktor abgesagt worden. Jungsozialisten entwickelten einen Kindergartenplan für die Stadt, weil viele Plätze fehlten. Engagierte Christen trafen sich gegen den Willen der Amtskirchen zum ersten Mal nach 400-jähriger Trennung zu ökumenischen Kurzandachten und zu einer gemeinsamen Veranstaltungswoche im November. Und dann erreichte auch das größte Thema der damaligen Weltpolitik Lüdenscheid: der Vietnamkrieg. Gegen den Besuch des Kriegsfilms "The Green Barets" protestierten Jugendliche. Polizisten wurden zur Hilfe gerufen, um Kinofreunden den Zugang zur Filmaufführung gegen den Willen der Protestgruppe zu ermöglichen. Da sie nicht zurückwich, setzte die Lüdenscheider Polizei erstmals seit 1945 Schlagstöcke ein, um dem Recht der Kriegsfilmfreunde und der Interessierten Geltung zu verschaffen.

Vier humanitäre Bürgerinitiativen wurden in dem Zeitabschnitt gegründet: amnesty international für die (politische Gefangene), die Leprahilfe des Deutschen Aussätzigen-Hilfswerks für Leprakranke, die Projekthilfe Sahelzone zur Unterstützung von verdurstenden Menschen am Rand der größer werdenden Sahara und Terre des hommes für notleidende Kinder besonders in Entwicklungsländern. Die Gruppen veranstalteten 1976 einen fünftägigen Informations- und Verkaufsmarkt und gründeten danach den "Dritte/Eine Welt-Laden", der sich heute im Untergeschoss des Alten Rathauses befindet.

Die größere Offenheit gegenüber Menschen anderer Nationen zeigte sich in dem seit 1971 von der Stadt herausgegebenen Mitteilungsblatt für Gastarbeiter, das auch in andere Sprachen übersetzt wurde und wichtige Informationen zur Arbeits- und Lebenswelt enthielt. Es war die erste derartige Informationsschrift in der Bundesrepublik. Im gleichen Jahr wurde von der Lüdenscheider Wohnstätten AG mit dem Bau von 36 Wohnungen für Gastarbeiter in Gevelndorf begonnen, weil deren Raumnot groß war. Denn im Kreis Altena-Lüdenscheid gab es mit 10 % den höchsten Ausländeranteil in NRW und viele Hauseigentümer vermieteten nicht an Ausländer, weil sie befürchteten, dass durch die Vermietung an sie ihr Haus an Wert verliere und Probleme wegen unterschiedlicher Lebensstile entständen.

Foto: Die obere Altenaer Str. mit Blick zur Stadtmitte.
Die obere Altenaer Strasse mit dem Kaufhof, dem City-Center, dem Breddermann-Hochhaus und der Kaufhalle um 1978.

 

1972 - 26 Jahre nach der Stationierung der belgischen Soldaten - wurde die Deutsch-Belgische Gesellschaft gegründet, um das Zusammenleben der Belgier, die oft deutsche Frauen und Kinder hatten, mit der Bevölkerung Lüdenscheids zu verbessern. Die Skepsis gegenüber Militär und Aufrüstung wuchs auch in Lüdenscheid und die evangelische Kirche beauftragte zwei Pfarrer mit der Beratung von Kriegsdienstverweigerern und der Betreuung von Zivildienstleistenden.

Ein heftiger Streit wurde unter Anteilnahme der ganzen Stadt um die Neugestaltung der Altstadt ausgetragen. Die südliche Altstadt wurde durch den Abriss von Gebäuden für die Parkpalette ein Beispiel für die autogerechte Modernisierung, während durch eine Bürgerinitiative die Renovierung der nördlichen Altstadt gelang. In der Partei der Unabhängigen Wählergemeinschaft formierte sich erfolgreich der politische Wille, die Altstadt als Teil der lokalen Tradition und Heimat zu erhalten.

Wichtige Weichen wurden für die Infrastruktur 1970 gestellt. Das Städtische Krankenhaus ging in die Hände des Kreises über, der es mit dem ehemaligen Lazarett und späteren Krankenhaus des Amtes in Hellersen zu einem Großkrankenhaus zusammenführen wollte. Die städtische Verwaltung schloss sich im gleichen Jahr der gemeinsamen elektronischen Datenverwaltung von Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis an, um Personal einzusparen. Einen Rückschlag erlitt der Traum von einer Fachhochschule für Kunststofftechnik, die im gleichen Jahr vom Land abgelehnt wurde. Das traf die Stadt hart, weil hier seit dem späten 19. Jahrhundert immer mehr Produkte aus Plastik besonders für die Elektroindustrie hergestellt wurden. Deshalb spezialisierten sich einige Firmen auf den bau von Pressgussmaschinen.
Auch der neue Märkische Kreis, der 1975 nach langen Diskussionen auf Weisung des Landes aus dem Kreis Iserlohn und dem Kreis Altena-Lüdenscheid gebildet wurde, konnte dabei nicht weiterhelfen.

Foto: DBlick auf das IKAH-Gelände.
Kunststoffhäuser der IKHA 1971 auf dem Ausstellungsgelände Höh.

 

Die große wirtschaftliche Kraft der Stadt zeigte sich 1971 in den 4 000 Pendlern, die täglich in die Stadt kamen und in der Verwirklichung der großen IKHA 1971. Bundeskanzler Brandt und Ministerpräsident Kühn kamen hierhin, um die Hoffnung zu bestärken, die mit der Internationalen Kunststoffhausausstellung verbunden war. Viele glaubten, mit immer neuen Kunststoffen eine bessere Zukunft schaffen zu können. Hier arbeitete die Kunststoffindustrie auch für die Autoproduktion. Nach diesem Großereignis mit mehr als 100 000 Besuchern auf dem Gelände am Höher Weg wurde 1972 das Sauerlandcenter mit 20 Geschäften am Sauerfeld eröffnet und die Stelle für Öffentlichkeitsarbeit von der Stadt geschaffen. Gleichzeitig entwarf der Technische Beigeordnete ein modernes Lüdenscheid mit "sechs großen Parkhäusern" und einer breiten Ringstraße um die Innenstadt. So sollte eine autogerechte Stadt entwickelt werden. Aber die Wirklichkeit verlief anders. 1973 führte die weltweite Erdölknappheit zum Verbot des Autofahrens an den drei ersten Dezembersonntagen und zur Einschränkung der öffentlichen Weihnachtsbeleuchtung. Alle wurden aufgefordert die Heizungstemperatur um 1 - 2 Grad in Wohnräumen zu senken. Die Industrie wurde hart getroffen und stoppte die Anwerbung neuer Gastarbeiter. Auch der Neubau eines Kulturhauses wurde wegen der Wirtschaftskrise, die Ölkrise genannt wurde, verschoben. Und die modernen Kunststoffhäuser der IKHA wurden 1974 verkauft. Viele Lüdenscheider ließen ihre Autos stehen und fuhren mit den überfüllten Bussen. Die Zahl der Kinder stieg, die an der Stadtranderholung während der Sommerferien teilnahmen, weil manche Eltern den gemeinsamen Urlaub nicht finanzieren konnten.

Gegen die rücksichtslose Unterwerfung der Natur unter technische und wirtschaftliche Interessen richteten verschiedene Initiativen die Aufmerksamkeit der Lüdenscheider, sachlich begleitet von der Naturwissenschaftlichen Vereinigung, die 1973 ihr 25jähriges Bestehen feierte. Besonders wurden das Abholzen von Bäumen zwecks Straßenausbaus und die Verschmutzung der Gewässer kritisiert. Aber die Auseinandersetzung zwischen Technik und Natur fiel meistens gegen die Natur aus. So wurde ab 1973 für 20 Mio. DM ein Betonbett für den Rahmede-Bach gegossen, damit das Wasser schneller abfließen und die Anlieger des Tales weniger schädigen sollte. Das Hochwasserproblem wurde so nach Altena verschoben und die Selbstreinigung des Wasserlaufs unmöglich gemacht.

   
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Lüdenscheider Zeitbilder
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Lüdenscheider Zeitbilder, Lindenau 16, 58511 Lüdenscheid
Vertreten durch: Matthias Wagner, Telefon 02351 25138, info (at) lüdenscheider-zeitbilder (.) de
Gestaltung: Martin Sander/ Hans-Werner Hoppe